30 Jahre GMP+ International: immer den Blick nach vorn

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Vor dreißig Jahren wurde in der niederländischen Futtermittelbranche ein Schalter umgelegt. Nach diversen Vorfällen mit verunreinigten Futtermitteln einigte sich die Branche auf Good Manufacturing Practices, aus denen später das weltweit anerkannte GMP+ Feed Certification scheme hervorgehen sollte. Auch wenn dabei einige Hindernisse zu überwinden waren, hat GMP+ International doch stets den Blick nach vorn gerichtet.

Anfang der 90er Jahre herrschte in der niederländischen Futtermittelbranche nicht gerade eine positive Stimmung, da sie zum wiederholten Mal von Vorfällen mit verunreinigten Futtermitteln aufgerüttelt wurde. Wieder negative Schlagzeilen, wieder Diskussionen in der Öffentlichkeit, wieder alle Hebel in Bewegung setzen, um den Schaden beim Export von tierischen Produkten und die Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Was in jenen Tagen allerdings an Positivität fehlte, wurde von Entschlossenheit und Tatkraft kompensiert. Man war sich einig: der Kurs musste geändert werden.

Zweifel

Das sei allerdings einfacher gesagt als getan gewesen, erzählt Johan den Hartog, der im Namen des Futtermittelverbands „Productschap Diervoeder“ am Verhandlungstisch saß und später Managing Director von GMP+ International wurde.

„In den 80er Jahren gab es mehrere Vorfälle mit Salmonellen, Schwermetallen und der Verschleppung von Kokzidiostatika in Futtermitteln. Und es gab die nötigen Vorbehalte, in strukturierter Weise daran zu arbeiten, dass sich solche Vorfälle nicht würden wiederholen können. Vereinbarungen wurden als Einschränkung der Freiheit bei der Auswahl der Ausgangserzeugnisse betrachtet. Zudem fehlte es an Wissen über die Kunden in den Folgestufen der Kette. Und man zweifelte daran, ob die Abnehmer bereit wären, die Kosten für strengere Anforderungen zu übernehmen. Es war alles eine Frage der Einstellung und der Erkenntnis, dass die Futtermittelwirtschaft ein Teil der Nahrungskette ist.“

Druck von außen, unter anderem aus den tierischen Erzeugungsbranchen in den Niederlanden und von staatlicher Seite, sorgte letztendlich dennoch für die Akzeptanz einer besser strukturierten Vorgehensweise. Damals ging es noch ausschließlich um die niederländische Exportbranche von Milch-, Fleisch- und Eierprodukten.

Das Ergebnis war 1992 ein Code für ‘Good Manufacturing Practice’, also für eine Reihe von Maßnahmen, die einen sicheren Produktionsprozess garantieren sollten. Das war die Geburtsstunde von ‘GMP’. Aber von einem ausgeklügelten feed safety management system, also einem Managementsystem für die Futtermittelsicherheit wie wir GMP+ heute kennen, war damals längst noch keine Rede. Ganz abgesehen von internationaler Teilnahme: GMP war eine strikt nationale – niederländische – Angelegenheit, obwohl aus Deutschland schon bald ein erstes, ernsthaftes Interesse bekundet wurde.

Kettenansatz

Das änderte sich Ende der 90er Jahre. Auch nach der Einführung von GMP wurde die Branche noch mehrmals von Vorfällen erschüttert, wie BSE sowie Dioxin und Schwermetallen in Futtermitteln. Zum Teil waren diese Angelegenheiten auch die Folge von besseren Analysemethoden, einem stärkeren Qualitätsbewusstsein, einer kritischeren tierischen Erzeugungswirtschaft und einem nervösen niederländischen Staat, dem ein gesetzlicher Rahmen für entsprechende Maßnahmen fehlte. Trotz der Tatsache, dass GMP bereits 1995 die ersten ISO-9001-Kriterien erfüllte, war GMP noch zu reaktiv.

Die Vorfälle sollten einschneidende Konsequenzen für den Anwendungsbereich von GMP haben. Die wichtigste Lektion sei gewesen, dass die Quelle einer Verunreinigung meist am Anfang der Futtermittelkette liege, erzählt Den Hartog. 1999 trafen die Vertreter der niederländischen Futtermittelbranche daher die wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte des Systems: „Wir beschlossen, den Anwendungsbereich des Systems auf die gesamte Kette der Futtermittelausgangserzeugnisse auszuweiten. Dieser Kettenansatz hatte eine wachsende internationale Beteiligung zur Folge.“

Und zwecks einer proaktiveren Ausgestaltung von GMP wurde HACCP zu einem festen Bestandteil des Systems. Auch Rückverfolgbarkeit, Rückrufe und ein Frühwarnsystem fanden Eingang in das System, um den Schaden bei einer eventuellen Verunreinigung begrenzen zu können. Diesen Erweiterungen verdankt GMP das bekannte `+´ hinter seinem Namen. Das System war nun viel mehr als eine bloße Reihe von Richtlinien. Es wurde zu einer Markenbezeichnung für sichere Futtermittel.

Obwohl Inhalt und Anwendungsbereich des Systems in den Anfangsjahren in keiner Weise mit dem weltweiten, die ganze Kette umfassenden und auf ISO und HACCP basierten System von heute vergleichbar waren, wurde damals dennoch die Basis für einen Kernwert gelegt, den GMP+ International bis heute voller Leidenschaft lebt: gemeinsam. Die ersten Good Manufacturing Practices waren das Ergebnis von Unternehmern, die nicht nur ihre eigenen Interessen verfolgten, sondern miteinander kooperierten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.

GMP+ Feed Certification scheme: Die Vorteile

  • Futtermittelsicherheit: Trägt zur Produktion von sicheren Futtermitteln bei
  • Proaktiv: Vorbeugen ist besser als heilen, dank Frühwarnsystem und Rückverfolgbarkeit
  • Kettenweit: Alle machen mit, von der Erfassung bis zur Produktion
  • Gemeinsam: Setzen Sie sich mit Worten und Taten für ein noch besseres System ein
  • License to sell: Steigern Sie Ihren potenziellen Absatzmarkt mit einer GMP+ FSA-Zertifizierung
  • Wissensvermittlung: Nutzen Sie gemeinsam das vorhandene Wissen und die vorliegenden Daten und erleben Sie die Vorteile der GMP+ Academy

Aus der, für die und durch die Branche

„Die Zusammenarbeit gehört zu unserer DNA“, sagt Roland van der Post, seit August 2021 Managing Director von GMP+ International rückblickend. „Wir sind ein System, das aus der Branche, für die Branche und durch die Branche entstanden ist. Die Unternehmen haben nach wie vor eine wichtige Stimme bei der Ausgestaltung des Systems. Nur so können wir dieses in einer sich kontinuierlich wandelnden Umgebung relevant und funktionsfähig halten. Trotz aller Veränderungen der letzten dreißig Jahre ist unsere Zusammenarbeit immer die eine große Konstante gewesen. Wenn wir zusammenarbeiten, können wir viel schaffen. Das hat die Branche mehr als einmal unter Beweis gestellt.“

Anno 2022 hat das GMP+ Feed Certification scheme gut 19.000 Teilnehmer aus fast neunzig Ländern der Erde. Der Schwerpunkt der Teilnehmer befindet sich nach wie vor in Europa, aber in den letzten zehn Jahren konnte eine starke Zunahme der Beteiligung aus aufstrebenden Regionen wie Osteuropa und Asien sowie aus Nord- und Süd-Amerika verzeichnet werden. In fast allen Ländern, in denen GMP+ International aktiv ist, gibt es Kooperationen und Partnerschaften mit örtlichen Branchenverbänden, Beratern und Schulungseinrichtungen. Sie kennen die örtlichen Märkte wie kein anderer und agieren als Bindeglied zwischen GMP+ International und den Futtermittelbetrieben. Und selbstverständlich spielen auch die Zertifizierungsstellen eine ausschlaggebende Rolle bei der Gewinnung und Unterstützung von Unternehmen.

„Cefetra war eines der ersten Handelsunternehmen mit einer GMP+-Zertifizierung und damit führend im Markt. Dreißig Jahre GMP+ ist einfach fantastisch, aber es geht natürlich nicht um die Schaffung von Erinnerungen - im Gegenteil! Meiner Meinung nach sollte ein QM-System die Aktivitäten eines Unternehmens unterstützen. Es muss einen Rahmen vorgeben und für Futtermittelsicherheit sorgen, ohne zu einem Papiermoloch zu verkommen, der die Tätigkeiten eines Unternehmens frustriert. Die Tatsache, dass wir bei Cefetra im Hinblick auf GMP+ nicht in guten Erinnerungen schwelgen können, ist gut: Es beweist für mich, dass das System seine Aufgabe ordentlich erfüllt.“

Audrey Rensen-van Lijden, Qualitäts- und EHS-Leiter, Cefetra Group

Robuste Kette

Mit gut 19.000 Teilnehmern in der gesamten Produktionskette ist GMP+ International das weltweit größte Managementsystem für Futtermittelsicherheit. Diese Zahlen wären allerdings wertlos, wenn daraus nicht die entsprechenden Ergebnisse hervorgehen würden. GMP+ International hat sich einst als Ziel gesetzt, das größte System zu werden. GMP+ International ist eine Nonprofit-Organisation mit einer ideellen Mission: Feed Safety Worldwide, eine Aufgabe von ungekanntem Ausmaß.

Dennoch beweist das Wachstum von GMP+ International, dass die Sache sehr wohl eine Zukunft hat. Führende Konzerne erwarten immer häufiger, dass ihre Zulieferer und Dienstleister sich mit dem System konformieren. Nicht umsonst ist ein großer Teil der internationalen Futtermittelkette zertifiziert. Darunter fallen nicht nur Produktionsbetriebe, sondern auch Unternehmen aus den Bereichen Erfassung, Handel, Umschlag und Transport. Dieser Kettenansatz, wonach Unternehmen nur Geschäftspartner haben, die auch nach GMP+ (oder vergleichbar) zertifiziert sind, hat eine immer robuster werdende Kette zur Folge.

Und obwohl sich Vorfälle niemals gänzlich ausschließen lassen, sind der Branche in den letzten 15 Jahren große Zwischenfälle erspart geblieben. Nicht zuletzt dank der Aufnahme der HACCP-Grundsätze in das System arbeiten die Futtermittelbetriebe proaktiver denn je. Und sollten sich doch einmal Verunreinigungen ergeben, werden die dank des Frühwarnsystems schnell aufgespürt und im Keim erstickt.

GMP+ Academy

In der Vergangenheit erzielte Leistungen bieten allerdings keine Garantien für die Zukunft. Daher fokussiert sich GMP+ International sehr stark auf die Wissensvermittlung. Wer versteht, warum bestimmte Präventionsmaßnahmen erforderlich sind, wird diese eher ernst nehmen und einhalten, so der dahinterliegende Gedanke. Über die brandneue GMP+ Academy versorgen GMP+ International und angeschlossene Partner Futtermittelbetriebe in aller Welt mit professionellem Schulungsmaterial. Diese für alle zugängliche Online-Plattform bietet den Unternehmern die Möglichkeit, das Wissensniveau und die Bewusstwerdung am Arbeitsplatz auf niederschwellige Weise zu steigern.

Ferner sucht GMP+ International proaktiv das Gespräch mit der Branche, damit das System passend, funktionsfähig und zukunftsfest bleibt. Aus diesem Grund organisierte GMP+ International im Frühjahr 2022 den Global Feed Safety Summit. Drei Tage lang diskutierten Futtermittelexperten aus aller Welt in Berlin über die großen Herausforderungen der Zukunft, wie Klimawandel, Nachhaltigkeit und Nahrungsmittelsicherheit. Der Kongress war ein voller Erfolg. John Kirkpatrick, Agricultural Manager bei TESCO, sprach von „einem der fortschrittlichsten Kongresse, die ich je besucht habe“.

Agenda für die Zukunft

Auch GMP+ International verließ Berlin mit einem Koffer voller neuer Erkenntnisse und Ideen und, noch wichtiger, mit einer konkreten Agenda für die Zukunft. So wird gemeinsam mit dem Global Feed LCA Institute untersucht, in welcher Weise Nachhaltigkeitsversprechen verifiziert werden können. Darüber hinaus wird GMP+ International gemeinsam mit der Datenplattform Covantis erforschen, ob Elemente der Futtermittelsicherheit in einer Blockchain untergebracht werden können. Und im Bereich antimikrobieller Resistenzen beabsichtigt GM+ International die Ausweitung der Systemstandards auf anfällige Regionen.

„Wir sind enorm stolz auf das, was wir als Branche in den letzten dreißig Jahren erreicht haben“, sagt Van der Post. „Was als Pionierarbeit begonnen hat, ist zu einer wahrhaften feed safety culture herangewachsen. Niemand muss mehr von der Bedeutung einer sicheren Futtermittelkette überzeugt werden. Allerdings müssen wir ständig wachsam bleiben und nach wie vor offen für neue Entwicklungen und Innovationen sein. Die Initiativen, die anlässlich des Global Feed Safety Summit entstanden sind, bieten Hoffnung für die Zukunft.“ 

So arbeitet GMP+ International, gemeinsam mit der Branche, weiterhin am Zustandekommen einer weltweiten Futtermittelsicherheit. Denn trotz aller Fortschritte bleibt Futtermittelsicherheit immer ‘work in progress’.